Bäume gegen Dürre - Ein Interview mit Martina Fondi

Jul 21, 2021 | geschrieben von:

Martina ist Head of Agroforestry bei Treedom. Dieses Interview stammt aus dem März 2021 und erschien erstmalig im E-Magazin von green Lifestyle. Hier könnt ihr es nun in voller Länge lesen.  

Treedom pflanzt Bäume in 17 Ländern. Sind darunter welche, die von Dürre betroffen sind?

Ja – Dürre betrifft mehrere Länder, in denen wir pflanzen. Wir haben Probleme wegen der Dürre in Kenia, Tansania und Ghana – besonders Ghana, da das Land so nah an der Sahara liegt. Es besteht ein hohes Risiko der Wüstenbildung, schon seit Längerem, was das Leben sehr beschwerlich machen kann. 

In den anderen Ländern ist die Verschiebung der Regenzeit das Hauptproblem. Man erkennt die Veränderungen daran, dass die Regenzeiten kürzer und manchmal auch heftiger ausfallen, und gleichzeitig die gleiche Menge Regen fällt, aber das in kürzerer Zeit. Das kann gefährlich werden, denn der Regen bringt alles durcheinander – es gibt sogar kleine Überflutungen, die Straßen, Pflanzen und mehr zerstören. Gleichzeitig ist die Trockenzeit länger, und das Wasser hat nicht genug Zeit, um vom unterirdischen Bewässerungssystem aufgenommen zu werden, und fließt manchmal einfach „weg“ – die Wasserknappheit ist das ganze Jahr über ein echtes Problem. 

Bis jetzt haben wir keine extremen Situationen erlebt, außer in Ghana. Deshalb pflanzen wir in Ghana sehr viel mehr Bäume (normalerweise, wie auch hier erklärt, pflanzen wir 20 % mehr, als wir eigentlich kalkulieren, um notfalls die Bäume zu ersetzen, die in der Baumschule oder in den ersten Jahren sterben. Diese Anzahl deckt normalerweise den zusätzlichen Bedarf an Bäumen, doch hier in Ghana pflanzen wir etwa 35 %–40 % mehr: Wir planen mit mehr Setzlinge, da wir sicher gehen müssen, dass eine Pfanze eine akzeptable Wassermenge abbekommt und die harten Umweltanforderungen überlebt. Wenn ein Setzling es nicht schafft, wird er ersetzt, deswegen die Mehrpflanzungen.. 

 

Wie geht Treedom mit der Dürre in diesen Projektländern um?

In der Trockenzeit gibt nicht genug Wasser, sodass Wasserknappheit ein echtes Problem darstellt. Wir versuchen, dieses Problem mit unseren Baumpflanzungen nicht zusätzlich zu verschärfen, indem wir z. B. Wasser für die Wässerung der Bäume verwenden, das auch für Menschen verwendet werden könnte. 

Künstliche Bewässerung kann problematisch werden, da hierfür Wasser für Bäume (und möglicherweise für die Nahrungsmittelproduktion) verwendet wird, das eigentlich den Menschen zum Trinken zusteht. Deshalb pflanzen wir unsere Bäume erst zu Beginn der Regenzeit, um künstliche Bewässerung zu vermeiden und trotzdem sicherzustellen, dass die Bäume genügend Wasser bekommen, um die Trockenzeit zu überstehen. 

Es gibt noch weitere Tricks: Wir decken den Baum gleich nach dem Regen ab, um das Wasser zu halten und zu verhindern, dass es schnell verdunstet – so wird der Baum länger von allen Seiten mit Wasser versorgt. Auf diese Weise fließt das Wasser nicht so schnell ab, der Baum kann es länger nutzen und der gesamte Wasserverbrauch wird reduziert. Auch verwenden wir in den Baumschulen viele Tanks, die sich während der Regenzeit mit Regenwasser füllen, das dann für die Bäume verwendet werden kann. Es ist zwar kein Trinkwasser, aber für die Bäume kann es ohne Probleme über längere Zeit genutzt werden. 

 

Und was bedeutet das für die Natur, die Pflanzen- und Tierwelt und den Menschen in diesen Ländern?

Das Leben der Menschen, Tiere und Pflanzen ist sehr eng an die Jahreszeiten gebunden. Wir in der westlichen Welt kennen das gar nicht, für unser Überleben so stark vom Wetter, den Jahreszeiten und der Natur im Allgemeinen abhängig zu sein; und wir sind auch nicht so stark von der Landwirtschaft abhängig. Wir haben nicht die gleiche Beziehung zur Landwirtschaft wie die Menschen, Tiere und Pflanzen in den Ländern, in denen wir pflanzen. Der Großteil der Arbeitsplätze dort hängt direkt von der Landwirtschaft ab.

Also selbst wenn wir hier in Europa mal eine Dürre zu spüren bekommen und vielleicht nicht jede einzelne Gemüsesorte im Supermarkt wie gewohnt kaufen können, wird uns das nicht annähernd so tangieren – aber wenn Sie Ihr Gemüse im eigenen Garten anbauen und eine Dürre herrscht, können Sie nichts tun. Sie erleben den Verlust der Lebensmittelsicherheit und auf längere Sicht sogar an Lebensmitteln selbst, Arbeitsplätze gehen verloren, und die Menschen müssen sich Alternativen zuwenden, die auf lange Sicht oft nicht gut für sie sind und für den Planeten noch schlimmer (Beispiel: illegale Abholzung). 

 

Und wie geht Treedom hier vor?

Wir versuchen mit unseren Baumpflanzungen, den Wasserverbrauch für Bäume zu reduzieren und lokale Arten zu pflanzen, die nicht so viel Wasser verbrauchen, wenn es von Natur aus schon nicht viel Wasser gibt. Die richtige Art, für den richtigen Ort und den richtigen Zweck – um das so effizient wie möglich zu gestalten, müssen lokale Arten gepflanzt werden. 

Große Projekte, bei denen viele, viele Bäume gepflanzt werden, ohne Rücksicht auf die lokalen Bedürfnisse und Gegebenheiten, können in manchen Fällen mehr schaden als nützen – in dieser Diskussion geht es immer zentral um den Wasserverbrauch. Der Eukalyptus z. B. braucht so viel Wasser, dass wir ihn nie pflanzen würden – obwohl er eine tolle Pflanze ist. 

Es ist also immer besser, die richtige Art zu wählen, die die Wassernutzung/Umstände respektiert. Manchmal ist es sogar besser, gar keine Bäume zu pflanzen, sondern andere Pflanzen – aber auch hier hängt alles von der Gegend, dem Land, dem Projekt ab. Daher ist es unbedingt notwendig, jedes einzelne Projekt individuell zu bewerten, die örtlichen Gegebenheiten und Situationen mit einzubeziehen und nicht mit einem "one size fits all"-Ansatz vorzugehen.

 

Wie genau bekämpfen Bäume eigentlich Dürre vor Ort?

Bäume können mit ihren Wurzeln den Boden auflockern und so dabei helfen, das Wasser im unterirdischen Bewässerungssystem aufzufangen – so werden Bodenerosion und langfristig die Wüstenbildung bekämpft. Außerdem können Bäume, sobald sie etwas größer sind, als Schattenspender und Windschutz für kleinere Pflanzen fungieren, was zu mehr Wachstum anregt. Sie reichern den Boden an und verbessern die Bodenqualität, so dass mehr gepflanzt werden kann. Bäume sind echte Helden.

 

Pflanzen brauchen Pflege und Wasser. Konkurrieren Bäume somit um knappe Ressourcen? 

Das kann ein Problem darstellen, daher ist die Wahl der richtigen Pflanze der wichtigste Faktor, wie bereits beschrieben. Um künstliche Bewässerung zu vermieden, sollten Regenzeit und Trockenzeit respektiert und genutzt werden, und Regenwasser muss aufgefangen und gesammelt werden, um es zu einem späteren Zeitpunkt verwenden zu können. 

Es ist für uns bei Treedom unglaublich wichtig, Systeme zu schaffen, die langfristig funktionieren und einen sozialen und ökologischen Nutzen bringen, damit sie eine Chance auf Langlebigkeit haben. Und dazu gehört auch, sicherzustellen, dass kein Wasser für Pflanzen verwendet wird, das den Menschen zur Verfügung stehen sollte.

 

Gleichberechtigung ist ein Thema, das auch Treedom vorantreibt. Wie genau hängen Umweltschutz und Gleichberechtigung zusammen?

Sie sind eng miteinander verbunden: Erstens ist es ein wichtiger Schritt Richtung Gleichberechtigung, wenn man einer Community durch Umweltaktivitäten hilft, zu überleben. Und ähnlich verhält es sich bei der Agroforstwirtschaft: Obstbäume zu pflanzen, die langfristig hilfreich sind – indem sie die Möglichkeit für wirtschaftliches Wachstum, Ernährungssicherheit, Unabhängigkeit etc. bieten – ist ebenfalls ein Ansatz, die Gleichberechtigung voranzutreiben – nicht nur die Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern die allgemeine Gleichberechtigung, mit einer Chance auf eine bessere Zukunft. 

Unsere Projekte sind daher nicht nur Umweltprojekte, sondern auch Projekte für nachhaltige Entwicklung, einschließlich der Aktivitäten im Rahmen der UN-Sustainable Development Goals. Agroforstwirtschaft bedeutet Pflanzenschutz und kann den Druck auf bestehende Wälder verringern: Wenn das eigene Stück Land fruchtbar bleibt, es keine Bodenerosion gibt usw., reduziert man das Risiko, die Ernte zu verlieren. Selbst wenn also etwas z. B. mit dem Mais passieren würde, hätten Sie immer noch Orangenfrüchte – Sie reduzieren das Risiko und sind nicht gezwungen, Primärwald abzuholzen, um mehr Boden bestellen zu können (oder das Holz illegal als alternative Einkommensquelle zu verkaufen). Die Agroforstwirtschaft ermöglicht Ihnen, Ihr Stück Land, auch wenn es kleiner ist, zu diversifizieren.

 

Welche Rolle spielen die Frauen bei den Pflanzprojekten von Treedom? Und welche Rolle spielt Treedom für diese Frauen?

Wir versuchen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, wir müssen aber auch bedenken: Wir arbeiten in Ländern, in denen die Rolle der Frau nicht die gleiche ist wie in Europa. Selbst hier kämpfen Frauen immer noch für die Gleichbehandlung, und doch haben sie hier sehr viel Glück und sind privilegiert. Sie haben Zugang zu Bildung, Schulen, sie können arbeiten, Auto fahren, sich ihren Ehemann aussuchen, Kinder bekommen oder auch nicht, usw.

Wir versuchen, die Rolle der Frau in einigen Projektländern zu verändern, doch einfach so aufzutauchen und anderen Kulturen und Gemeinschaften unsere Werte aufzwingen zu wollen, das würde zu einem Clash of Cultures führen, und das hilft niemandem – es kann sogar negative Auswirkungen haben. 

Anstatt also den Menschen, mit denen wir arbeiten, vorzuschreiben, was sie zu tun haben, versuchen wir bei Treedom, andere Wege zu finden, Frauen in unsere Projekte einzubeziehen – langsam und vorsichtig. Das kann zum Beispiel sein, sich die Rolle der Frau als Versorgerin zunutze zu machen, die sie überall auf der Welt hat (auch hier in Europa übrigens!). So kann in unseren Projekten die Frau die Pflegerin der Bäume sein, da dies eng mit ihrer „normalen“ Rolle in der Gesellschaft verbunden ist. Wir beziehen sie in die Pflege und Aufzucht der Setzlinge mit ein, ohne die bestehenden Geschlechternormen in Frage zu stellen – so werden Konflikte vermieden, und die Frauen trotzdem gestärkt, denn sie haben eine Rolle (die von der lokalen Kultur akzeptiert wird). 

Trotzdem brauchen sie Training (d. h. mehr Bildung), wie sie alles managen können und wie sie in diesen Dingen unabhängig werden – auch finanziell, denn sie sind diejenigen, die die Früchte sammeln und auf dem lokalen Markt verkaufen. Der Schlüssel zur Gleichstellung der Geschlechter ist Bildung und wirtschaftliche Unabhängigkeit – wir versuchen, beides zu erreichen, ohne disruptiv zu agieren und Konflikte zu schaffen.

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