Die COP26: Schlimmer, als wir dachten?

Nov 17, 2021 | geschrieben von:

Wie wir vorausgesagt haben, endet die COP26 im Wesentlichen in einer Sackgasse. Abgesehen von den Ankündigungen, die für die Einführung einiger Agendas gut sein dürften, haben die Spielchen der Verhandlungen und Subventionen für fossile Brennstoffe das Abschlussdokument ruiniert. Indien spielt dabei die Rolle des Sündenbocks.

Immerhin fließen neue Gelder in grüne Investitionen.


Glasgow hat kein Wunder hervorgebracht.

Leider muss man sagen, dass das Wunder ausgeblieben ist. Die COP26 wird mit den Worten von Präsident Alok Sharma: „Ich bedaure zutiefst“ zu den Akten gelegt. 

Zum besseren Verständnis sollten wir einige „formale“ Aspekte des Dokuments im Detail näher betrachten.

  • Den globalen Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C zu halten, ist das neue Ziel, das bis 2030 erreicht werden soll (das Pariser Abkommen von 2015 hat diese Schwelle auf 2 °C festgelegt).
  • Als Mindestziel wurde eine Senkung der Kohlendioxidemissionen um 45 % bis 2030 im Vergleich zu 2010 und das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts festgelegt.
  • Die Länder sind aufgefordert, andere Treibhausgase (Methan und Stickstoffoxid) ebenfalls drastisch zu reduzieren, bis Ende 2022 neue Ziele der Entkarbonisierung vorzulegen und den Aufbau erneuerbarer Energiequellen sowie den Abbau von Kohle- und Gaskraftwerken zu beschleunigen. 
  • Die COP26 anerkennt die Bedeutung von jungen Menschen, Frauen und indigenen Gemeinschaften im Kampf gegen die Klimakrise und stellt fest, dass der ökologische Wandel fair und gerecht sein muss. 

All dies sind im Prinzip großartige Aussagen. Aber in der Praxis handelt es sich um Wunschdenken, das in einigen Fällen in klarem Widerspruch zu dem steht, was die zuverlässigsten Analysen als realistische Szenarien für die Zukunft angeben.

Nehmen wir einmal die Erklärung zur Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur unter die Schwelle von 1,5 °C. In den Tagen unmittelbar vor Beginn der COP26 wurde in einem Dokument des Umweltprogramms der Vereinten Nationen dargelegt, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der geschätzte Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts 2,7 °C betragen wird.

Dieses Dokument bezog sich auf die in Paris angegebene Erwärmungsgrenze von 2 °C, erachtete sie als unerreichbar und schrieb: „Bei wirksamer Umsetzung könnten die Verpflichtungen zu Netto-Null-Emissionen die Erwärmung auf 2,2 °C begrenzen und damit dem Ziel von 2 °C nach dem Pariser Abkommens näher kommen. Viele nationale Klimapläne verschieben jedoch die Maßnahmen bis nach 2030“. Selbst im besten Fall – und das ist sicherlich nicht das, was auf der COP26 herauskam – bleibt das Ziel von 2 °C schwer zu erreichen. Es wurde beschlossen, dieses Ziel ehrgeiziger zu gestalten, ohne dass konkret etwas unternommen wurde.

Es ist eher eine Nebelkerze, um die Realität zu verschleiern.


Subventionen für fossile Brennstoffe. Reden wir Klartext.

Schon vor Beginn der COP26 hatten wir im Zusammenhang mit der Subventionierung fossiler Brennstoffe eines der Probleme angedeutet. Das Schlussdokument enthält die Aufforderung an die Länder, „die Bemühungen um einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung und aus ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe zu beschleunigen“. 

Zur Verdeutlichung muss man sagen, dass die in dem Dokument erwähnten „unabated fossil fuels“ diejenigen fossilen Brennstoffe sind, deren CO₂-Treibhausgasemissionen nicht durch Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) reduziert werden. Der entscheidende Punkt ist die „Reduzierung“ von „ineffizienten Subventionen“ für fossile Brennstoffe.

Viele haben darauf hingewiesen, dass – auf Druck Indiens und Chinas – der anfangs gewählte Begriff „Abschaffung“ von Subventionen durch „Reduzierung“ ersetzt wurde. Aber das ist nicht das Schlüsselwort, der entscheidende Ausdruck ist das Wort „ineffizient“. Die Unbestimmtheit dieses Begriffs ist der Schild, hinter dem sich alle verstecken, nicht nur Indien und China. 

Jedes Jahr zahlen Regierungen auf der ganzen Welt etwa eine halbe Billion Dollar, um die Preise für fossile Brennstoffe künstlich zu senken – mehr als das Dreifache dessen, was erneuerbare Energien erhalten. Dies geschieht trotz wiederholter Versprechen von Politikern, diese Art der Unterstützung zu beenden, einschließlich der Erklärungen der G7- und G20-Staatengruppen. Denn tatsächlich wurde bereits versprochen, diese Subventionen abzuschaffen. Und das Versprechen wurde nie gehalten. Schuld daran ist eben dieses Zauberwort „ineffizient“ [1].

Um euch einen schnellen Überblick zu geben: Diese Subventionen existieren typischerweise in zwei Formen. Eine ist typisch für die stärker entwickelten Länder und besteht in der Senkung der Steuern oder in der direkten Finanzierung zur Senkung der Produktions- und Transportkosten fossiler Brennstoffe. Die andere ist typisch für Entwicklungsländer und besteht in der künstlichen Senkung der Verbraucherpreise. Dann gibt es den Fall der produzierenden Länder des Nahen Ostens, die diese Subventionen als eine Möglichkeit betrachten, allen ihren Bürgern zu ermöglichen, vom Reichtum ihrer fossilen Brennstoffe zu profitieren.

Die Abschaffung dieser Subventionen ist schwierig und anstrengend. Sie wird aber geradezu unmöglich, wenn man den Staaten die Möglichkeit offen lässt, sich hinter dem Finger dieser vagen Definition zu verstecken. So vage, dass zum Beispiel das IISD schätzt, dass Großbritannien zwischen 2017 und 2019 jährlich 16 Milliarden US-Dollar ausgegeben hat, um fossile Brennstoffe zu subventionieren. Gleichzeitig ist aber die Haltung der Regierung dazu, dass es keine ineffizienten Subventionen gibt, die zu streichen wären.

(Wenn ihr weitere Informationen zum Thema wünscht, schreibt mir bitte an t.ciuffoletti@treedom.net).


Die Spielchen der Verhandlungsparteien.

Der italienische Minister für ökologischen Wandel, Roberto Cingolani, wurde unmittelbar nach dem Ende der COP interviewt und erklärte: „Die Struktur des Gipfels muss überdacht werden“, mit 125 Staaten, darunter kleine Inseln und riesige Kolosse, erklärte der Minister, „ist es unmöglich, einen Kompromiss zu finden, der ein gutes Ergebnis darstellt“.

Es erinnert an die Erfahrungen nach den internationalen Gipfeltreffen der WTO (Welthandelsorganisation). In diesem Sinne ist die Position von Minister Cingolani durchaus akzeptabel, erfordert jedoch einige Klarstellungen. 

Die Bekämpfung der Subventionen für fossile Brennstoffe ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass das Spiel mit den Schuldzuweisungen an einige Länder (insbesondere Indien) für die Schwäche des Schlussdokuments ein taktisches Mittel ist. Eines, das den Wunsch nach „Business as usual“ verschleiert, der oft hinter den großen Ankündigungen der Staatschefs der am weitesten entwickelten Länder verborgen liegt.

In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung zu den Gesamtemissionen Indiens, die ja sehr hoch sind. Wenn wir jedoch die Emissionen pro Person berechnen, ändert sich die Lage (siehe die Grafiken unten). In ähnlicher Weise verändert eine Analyse, die eine historische Perspektive der Emissionen berücksichtigt, das Gewicht der stärker entwickelten Länder im letzten Jahrhundert.

Man kann sagen, dass ein System wie die der COPs es ermöglicht, große Ankündigungen zu machen. So verschafft man sich ein gutes Alibi, während man zum Beispiel weiterhin fossile Brennstoffe nicht nur subventioniert, sondern sogar deren Anstieg in der Zukunft plant.


Eine Flut von Investitionen.

In der italienischen Zeitung La Repubblica wies der Kommentator Francesco Guerrera auf einen wichtigen Aspekt hin, den ich mit seinen Worten zitiere: „Derzeit belaufen sich die Fonds, die mit der ESG (Umwelt, Soziales, Governance) oder verantwortungsvollen Investitionen verbunden sind, auf etwa 38 Billionen Dollar. Aber bis 2025 werden sie 53 Billionen erreichen, was fast ein Drittel aller verwalteten Vermögenswerte ausmacht.

Um diese Geldflut in einen positiven Kreislauf zu verwandeln, bei dem die enormen Mittel dort verteilt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden - oder wo Regierungen besonders widerstrebend sind wie in Indien und China - bedarf es klarer Regeln“.


Fazit.

Der Vorstoß für einen globalen Wandel ist auf der COP26 bis dato im Sande verlaufen. Aber es gibt einen finanziellen Antrieb unter der Oberfläche, ebenso wie einen immer stärker werdenden Vorstoß der öffentlichen Meinung und sogar eines Teils der Geschäftswelt. Wenn es legitim ist, an Entscheidungen festzuhalten, die in Zukunft verbindlicher sein können, gehen diese genau von diesem Punkt aus. Und von der Verbreitung eines kritischen Bewusstseins, das in der Lage ist, immer aufmerksamer und besser organisiert zu sein.

Schließlich sind auch wir nicht zufällig hier.

[1] Denjenigen, die das Thema vertiefen möchten, empfehlen wir ein sorgfältiges Studium der Website der Global Subsidies Initiative IISD.

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